Memminger Zeitung vom 20.01.2023
Benjamin Adelwarth, der neue Kreisvorsitzende des bayerischen Landes-Sportverbandes, will alle Sportarten in „seinem“ Kreis ausprobieren. Wir begleiteten ihn dabei. Die erste Station war die Judo-Matte.
Ein Mann ein Wort.: Als Benjamin Adelwarth zum neuen Kreisvorsitzendendes des BLSV- Kreises Memmingen-Unterallgäu gewählt wurde, lautete eins seiner Vorhaben, sämtliche Sportarten, die in „seinem“ Kreis gibt, selbst auszuprobieren. Der Anfang ist gemacht – mit einer Übungsstunde bei den Judokas des TSV Bad Wörishofen.
Von Axel Schmidt
Bad Wörishofen Die Dreifachsporthalle in Bad Wörishofen gibt es erst seit etwas mehr als 6 Jahren. Geht man in den Keller der Sporthalle, wo die Judokas ihre Heimstatt haben, wirkt es, als ob man eine Zeitreise machte; Bilder an den Wänden von Judo-Kampfformen sind noch in schwarz-weiß gehalten und haben einen Sponsor, der darauf wirbt, die Mannschaft für die Olympischen Spiele in Tokio 1964 auszustatten. Der Bezug der Hantelbank ist an mehreren Stellen aufgeplatzt, an der Wand hängt einsam eine japanische Flagge. Selbst der braune Kurt von Matthias Kerler ist schon ziemlich abgewetzt. Er ist Abteilungsleiter und der Trainer der kleinen Gruppe von drei Männern und zwei Frauen, die sich an diesem Abend zum Judo-Training eingefunden haben. Bevor es aber losgeht, muss ein Gast eingekleidet werden. Benjamin Adelwarth kommt zwar n Sportbekleidung, hat aber bei seiner Judo-Premiere noch keinen Judoanzug. Der 39-jährige Dirlewanger ist seit vergangenen November Vorsitzender des Sportkreises Memmingen-Unterallgäu des Bayerischen Landes-Sportverbandes (BLSV). Als solcher hatte er sich auf die Fahnen geschrieben, sämtliche Sportarten in „seinem„ Sportkreis angeboten werden, während seiner Amtszeit selbst auszuprobieren.
Die erste Station ist nun also die Judo-Halle in Bad Wörishofen. Matthias Kerler nimmt sich Zeit für den Neuling, riecht ihm den weißen aus festem Stoff genähten Anzug. Dann wird der Gurt geschnürt. Auch das ist für Nicht-Judoka schon eine Wissenschaft.
Dann geht es an die traditionelle Begrüßung: In einer Reihe, der Gurtfarbe nach geordnet, knien sich die Judokas vor ihrem Trainer nieder, stehen nacheinander auf und verbeugen sich. Es folgt das Aufwärm-programm. Und wer glaubt, dass sich das mit dem Warmlaufen und Dehnen einer Fußballmannschaft vergleich lässt, der irrt gewaltig. Denn das Aufwärmprogramm nimmt zeitlich locker die Hälfte des 90-minütigen Trainings ein. Warmlaufen, Dehnen und dann ein Zirkeltraining, das es in sich hat: Liegestütz, Sit-ups, Planking – der Schweiß tropft Adelwarth von der Stirn. Doch er hält wacker mit. Erstmals kommt Judo-Feeling auf, als es um die Fallschule geht, sprich: Wie lasse ich mich richtig fallen oder abrollen? Matthias Kerler nimmt sich Adelwarth zur Seite und zeigt dem Kreisvorsitzenden wie man ohne Hände und dennoch verletzungsfrei nach vorne abrollen kann. Und Adelwarth liefert. „Das sieht gar nicht schlecht aus“, lobt Kerler. „Für einen Anfänger machts du das gut, da hatten wir schon Schlechtere.“ Trotz des Lobes findet die nächste Judo-Übung ohne Adelwarth statt.: Vorwärts- und Rückwärtswürfe. Stattdessen darf es die Stoppuhr bedienen. Eine Minute lang schultern oder heben sich je zwei Judokas nacheinander. Das schnellste Trainingspaar kommt auf je zehn Würfe in dieser Zeit. „Alle sechs Sekunden fliegt einer“, staunt Adelwarth. Für ihn ist nach dem 50-minütigen Aufwärmprogramm Schluss. Nun feilen die „Profis“ auf der Matte an ihren einstudierten Wurf- und Kampftechniken. „Judo ist eher wie Raufen“, beschreibt Matthias Kerler den Sport, den er seit seiner Kindheit betreibt.
Beim TSV Peiting ist Kerler ebenfalls Judoka und kämpft dort mit der Mannschaft in der Bezirksliga um Punkte. Das ist beim TSV Bad Wörishofen nicht mehr möglich. Bis zum Jahr 2008 stellten die Wörishofer Judokas ebenfalls eine Mannschaft, feierten mit dieser durchaus große Erfolg, wie den schwäbischen Meistertitel 1979 und den anschließenden Sieg beim Qualifikations-turnier zur Landesliga. Es folgten unter dem langjährigen und umtriebigen Abteilungsleiter Dieter Hanisch (1977 – 2017) stolze 29 Jahre im Ligabetrieb, darunter fünf Jahre in der Bayernliga, und einige Landesliga-Meisterschaften.
Doch mittlerweile sei die Bereitschaft der Sportler, an Meisterschaften oder Wettkämpfen teilzunehmen, gesunken, sagt Harnischs Nachfolger Matthias Kerler. „Selbst die Kinder oder deren Eltern wollen das oft nicht mehr.“ So bleibt es letztlich beim Trainingsbetrieb.
Der – immerhin – wird in Bad Wörishofen aber regelmäßig und vor allem im Kinder- und Jugendbereich gut angenommen. „Wir haben aktuell rund 20 Kinder im Kindertraining und 15 Judokas bei den Jugendlichen.“ Sagt Kerler. Das Schöne am Judo sei, dass es keine Alters- oder Geschlechtergrenzen gebe. So könnten etwa Vater und Sohn ebenso trainieren wie Mann gegen Frau. „Was man braucht, ist eine Grundfitness und die Begeisterung für Sport und Körperkontakt“ sagt Kerler, ehe er das Training nach 90 Minuten beendet, und seine Schützlinge mit dem traditionellen Abgrüßen entlässt.
Und Adelwarths Fazit? „Es war spannend, den Sport zu erleben. Ich befürchte nur, dass ich morgen einen ziemlichen Muskelkater haben werde.“