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Gemein­same Erklä­rung des Landes­sport­bun­des Nord­rhein-West­fa­len und des Baye­ri­schen Landes-Sport­ver­ban­des: Ober­ha­chin­ger Erklärung

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Inhalt

Im Rahmen einer gemein­sa­men Tagung in der Sport­schule Ober­ha­ching am 22. Septem­ber 2023 befass­ten sich die beiden Präsi­dien mit bedenk­li­chen Entwick­lun­gen im deut­schen Sport.

„Rot für die Ampel!

Geplante Mittel­kür­zun­gen der Bundes­re­gie­rung beim orga­ni­sier­ten Sport bedeu­ten Leis­tungs­ab­fall bei Gesund­heit, Gesell­schaft, Gemein­wohl, Zusam­men­halt, Ehren­amt und gefähr­den so den orga­ni­sier­ten Sport in seiner Breite und Spitze!“, so die Präsi­den­ten Stefan Klett und Jörg Ammon.

Der Haus­halts­ent­wurf der regie­ren­den Ampel-Koali­tion für das Jahr 2024 sieht massive Mittel­kür­zun­gen für den Sport vor:

  • Kürzun­gen um 27 Millio­nen Euro, mithin 10 Prozent, beim Leis­tungs­sport (von 303 auf 276 Millio­nen Euro). Kein bekann­ter Etat für die Sport­agen­tur, welche den Leis­tungs­sport künf­tig koor­di­nie­ren soll.
  • Dras­ti­sche Kürzun­gen in Höhe von 19 Prozent für das Insti­tut für ange­wandte Trai­nings­wis­sen­schaft (IAT) sowie das Insti­tut für Forschung und Entwick­lung von Sport­ge­rä­ten (FES) erfol­gen nach ersten Ankün­di­gun­gen wohl doch nicht.
  • Bei der so wich­ti­gen Inte­gra­tion durch Sport sollen die Förder­mit­tel von 11,4 auf 10,9 Millio­nen Euro schrumpfen.
  • Erheb­li­che Einspa­rungs­pläne bei den Bundes­frei­wil­li­gen­diens­ten: 78 Millio­nen Euro sollen hier im Etat des Fami­li­en­mi­nis­te­ri­ums wegfal­len. Damit könnte jede dritte dieser für die Vereine so wich­ti­gen Stel­len bis 2025 wegbrechen.
  • 0 Euro für den Entwick­lungs­plan Sport, der die Weichen für eine gesunde Sport­land­schaft in Deutsch­land stel­len soll.

Über den gesam­ten Haus­halt entschei­det der Bundes­tag zum Abschluss der Haus­halts­wo­che am 1. Dezem­ber 2023. Bis dahin sind noch Ände­run­gen möglich.

„Mittel­kür­zun­gen müssen vom Tisch!“

„Was für die gesamte Gesell­schaft Deutsch­lands gilt, gilt auch für den Sport“, beto­nen die beiden Präsi­den­ten Stefan Klett und Jörg Ammon. „Ener­gie wird teurer, Perso­nal wird teurer, die Infla­tion ist auf einem hohen Niveau, Aufga­ben für den Sport werden mehr. Für die gesamt­ge­sell­schaft­lich immens wich­tige Aufgabe des orga­ni­sier­ten Sports mit seinen 87.000 Verei­nen und rund 27 Millio­nen Mitglied­schaf­ten sind Mittel­kür­zun­gen ein grobes Foul der Bundes­re­gie­rung.“ Die Mittel­kür­zun­gen für den orga­ni­sier­ten Sport müssen deswe­gen drin­gend vom Tisch, sind sich die beiden größ­ten deut­schen Sport­bünde einig. Denn „Sport ist Mehr­wert!“. Für alle.

Kriti­siert wird weiter, dass diese dras­ti­schen Einspa­run­gen nur ein knap­pes Jahr vor den Olym­pi­schen Spie­len in Paris erfol­gen sollen. Und vor einer mögli­chen Olym­pia-Bewer­bung Deutsch­lands, die im Rahmen der demnächst star­ten­den Dialog-Foren auch die Bevöl­ke­rung beteiligt.

Reform des Spitzensports

Kern­stück der Spit­zen­sport-Reform ist eine unab­hän­gige Sport­agen­tur, in der die Steue­rung und Förde­rung des Spit­zen­sports gebün­delt werden soll. Bis Ende 2025 soll sie einsatz­be­reit sein und mit neuen Mitteln aus dem Bundes­haus­halt finan­ziert werden. In einem weite­ren Schritt soll sie auch das Aner­ken­nungs­ver­fah­ren für die Bundes­stütz­punkte übernehmen.

Welches Budget die Agen­tur jedoch erhal­ten soll, ist bisher nicht bekannt. Außer­dem scheint die verspro­chene Unab­hän­gig­keit dieser Agen­tur keines­wegs gesi­chert. Mit der vorge­se­he­nen Gremi­en­struk­tur aus Stif­tungs­rat und Fach­bei­rat besteht viel­mehr die Gefahr, dass den bereits bestehen­den Insti­tu­tio­nen im Leis­tungs­sport auf Bundes­ebene ledig­lich eine weitere hinzu­ge­fügt wird. Die letzt­end­li­che Entschei­dungs­macht liegt nach derzei­ti­gen Planun­gen im Stif­tungs­rat und damit nicht in der Sportfachlichkeit.

Konstruk­tiv beglei­ten wollen die Bünde die Einbin­dung bzw. die aus ihrer Sicht drin­gend notwen­dige Modi­fi­ka­tion von PotAS, der Poten­zi­al­ana­lyse-Kommis­sion, die eine objek­tive und trans­pa­rente Bewer­tung der Poten­ziale in den olym­pi­schen Diszi­pli­nen bzw. Diszi­plin­grup­pen ermög­li­chen soll. Auch die Redu­zie­rung von Bundes­stütz­punk­ten, die Konzen­tra­tion von vorhan­de­nen Finanz­mit­teln (z. B. eine Vertei­lung auf weni­ger, aber erfolgs­träch­ti­gere Sport­ar­ten) und die Einbin­dung des Themas Nach­wuchs­leis­tungs­sport werden aktiv mitzu­ge­stal­ten sein.

Ein derzeit in Bear­bei­tung befind­li­ches Bundes-Sport­för­der­ge­setz soll flan­kie­rend für eine konti­nu­ier­li­che und in der Höhe fest­ge­leg­ten Förde­rung sorgen. „Hier sind ein Rechts­an­spruch und möglichst auch die Höhe der Förde­rung zu fixie­ren”, fordern die Präsi­dien der beiden größ­ten deut­schen Sportbünde.

Kürzun­gen bei IAT und FES wohl vom Tisch

Die geplan­ten Kürzun­gen bei den beiden sport­wis­sen­schaft­li­chen Insti­tu­ten erfol­gen nun wohl doch nicht, wie aus der Sport­mi­nis­ter­kon­fe­renz am 14./15. Septem­ber 2023 verlaut­bart wurde.

„Wir begrü­ßen, dass diese Kürzun­gen wohl verhin­dert werden können. Denn die beiden Insti­tute leis­ten einen wich­ti­gen Beitrag für unse­ren Medail­len-Erfolg“, sagen Klett und Ammon. „Eine Kürzung der Mittel vor den Olym­pi­schen Sommer­spie­len 2024 in Paris würde unsere Medail­len­aus­sich­ten schmä­lern. Wir sind froh, dass dies auch das Bundes­in­nen­mi­nis­te­rium erkannt hat.“

Den beiden Insti­tu­ten sind zahl­rei­che deut­sche olym­pi­sche Medail­len zu verdan­ken: Das FES war an 21 von 27 gewon­ne­nen Medail­len des Teams Deutsch­land bei den Olym­pi­schen Winter­spie­len 2022 in Peking beteiligt.

Inte­gra­tion durch Sport

„Eine Zuwan­de­rung erfolgt weiter und nimmt zu, sodass die Sport­ver­eine bei Einspa­run­gen des Bundes­pro­gramms „Inte­gra­tion durch Sport“ in ihrer erheb­li­chen Inte­gra­ti­ons­kraft und ihrer Funk­tion für den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt geschwächt werden“, stel­len die Präsi­den­ten über­ein­stim­mend fest. „Wenn der Bund spart, müssen gege­be­nen­falls aber die Länder finan­zi­ell beisprin­gen, wie das in Bayern und Nord­rhein-West­fa­len bereits geschieht. Die Inte­gra­ti­ons­kraft des orga­ni­sier­ten Sports muss gestärkt, nicht geschwächt werden.“

Bundes­frei­wil­li­gen­dienste

Jedes Jahr absol­vie­ren ca. 83.000 junge Menschen einen Frei­wil­li­gen­dienst in Deutsch­land, und zwar rund 53.000 im Frei­wil­li­gen Sozia­len Jahr (FSJ), knapp 3.000 im Frei­wil­li­gen Ökolo­gi­schen Jahr (FÖJ) und circa 27.000 im Bundes­frei­wil­li­gen­dienst (BFD). Eine Kürzung der erfor­der­li­chen Mittel um insge­samt bis zu 78 Millio­nen Euro bei der Förde­rung der Frei­wil­li­gen­dienste senkt die Attrak­ti­vi­tät dieser Form des gesell­schaft­li­chen Enga­ge­ments insge­samt. Vor allem im Sport drohen sich solche Kürzun­gen der Mittel unmit­tel­bar bemerk­bar zu machen. Von den derzeit 4.000 Frei­wil­li­gen­diens­ten in den Sport­ver­ei­nen und ‑verbän­den könn­ten ab 2024 voraus­sicht­lich nur noch 3.000 finan­zi­ell geför­dert werden, bliebe es bei den derzei­ti­gen Plänen. Konkre­tes Beispiel: Der anhand der stei­gen­den Mitglie­der­zah­len zu beob­ach­tende Zuspruch für das Ange­bot vieler Sport­ver­eine nach der Pande­mie ist sehr erfreu­lich, stellt die Vereine aber vor allem vor perso­nelle Heraus­for­de­run­gen: Übungs­lei­ter und Trai­ner sind hände­rin­gend gesucht. Die Kürzun­gen würden die sowieso schon schwie­rige Suche erheb­lich erschwe­ren und dem Ehren­amt darüber hinaus gene­rell einen empfind­li­chen Schlag verset­zen. Für den Sport wäre daher viel­mehr eine Stär­kung und Weiter­ent­wick­lung der Frei­wil­li­gen­dienste ange­zeigt. Junge Menschen soll­ten attrak­ti­vere Bedin­gun­gen im Frei­wil­li­gen­dienst vorfin­den, wie zum Beispiel eine Erhö­hung des Taschengeldes.

Mit ihren Haus­halts­plä­nen verstößt die Ampel auch gegen ihren eige­nen Koali­ti­ons­ver­trag, in dem es auf S. 98 wört­lich heißt: „Die Plätze in den Frei­wil­li­gen­diens­ten werden wir nach­fra­ge­ge­recht ausbauen, das Taschen­geld erhö­hen und Teil­zeit­mög­lich­kei­ten verbessern.“

Entwick­lungs­plan Sport

Der Entwick­lungs­plan Sport sollte ursprüng­lich auch mit konkre­ten Maßnah­men hinter­legt werden. Die 87.000 Sport­ver­eine sollen dazu beitra­gen, die Bevöl­ke­rung zu einem akti­ve­ren und gesün­de­ren Lebens­stil zu bewe­gen. Seine Ausar­bei­tung befin­det sich derzeit in vollem Gange. „Ohne eine erfor­der­li­che finan­zi­elle Ausstat­tung können Maßnah­men jedoch erst gar nicht umge­setzt werden, obwohl ein gesün­de­rer Lebens­stil nicht nur den Menschen im Land guttut, sondern auch volks­wirt­schaft­lich ein erheb­li­cher Vorteil ist“, erklä­ren die Präsi­dien. „Wir fordern daher, bereits vorge­schla­gene konkrete Maßnah­men bedarfs­ge­recht finan­zi­ell zu unterfüttern.“

Zusam­men­fas­send zu den geplan­ten Kürzungen:

Alles in allem stel­len die Sport-Präsi­den­ten Klett aus Nord­rhein-West­fa­len und Ammon aus Bayern fest: „Die geplan­ten Spar­maß­nah­men der Bundes­re­gie­rung beim orga­ni­sier­ten Sport bedeu­ten Leis­tungs­ab­fall bei Gesund­heit, Gesell­schaft, Gemein­wohl, Zusam­men­halt, Ehren­amt und gefähr­den den orga­ni­sier­ten Sport in seiner Breite und Spitze! Sie müssen deswe­gen vom Tisch!“

Bewer­bung für Olym­pi­sche und Para­lym­pi­sche Spiele in Deutschland

Sport­groß­ver­an­stal­tun­gen und insbe­son­dere Olym­pi­sche und Para­lym­pi­sche Spiele sind nicht nur der Höhe­punkt im Leben einer Sport­le­rin und eines Sport­lers, sie verdeut­li­chen auch die gesell­schafts­po­li­ti­sche Bedeu­tung des Sports, wie z.B. bei den Themen Nach­hal­tig­keit, Inklu­sion, Inte­gra­tion, Bildung und frei­wil­li­ges Enga­ge­ment. Dane­ben stär­ken sie Gesell-schaf­ten durch Zusam­men­halt und Austausch und werben für den Sport und dafür, selbst aktiv zu werden.

„Die Begeis­te­rung, die z. B. von den Euro­pean Cham­pi­on­ships in München im letz­ten Jahr, diesem groß­ar­ti­gen Sport- und Volks­fest, ausging, beweist, dass Sport­groß­ver­an­stal­tun­gen nach wie vor sehr attrak­tiv sind“, sagt der Präsi­dent des BLSV, Jörg Ammon.

„Die Finals 2023 Rhein-Ruhr, das Multi-Sport-Event in Düssel­dorf und Duis­burg, hat eben­falls gezeigt, dass Sport­groß­ver­an­stal­tun­gen begeis­tern und den vollen Rück­halt in der Bevöl­ke­rung genie­ßen können“, sagt auch Sport­bund-NRW-Präsi­dent, Stefan Klett.

Beide Sport­bünde spre­chen sich für eine Bewer­bung um Olym­pi­sche und Para­lym­pi­sche Spiele aus. Diese Bewer­bung müsse aller­dings in der Mitte der Bevöl­ke­rung veran­kert sein. Dabei begrü­ßen beide die Anstren­gun­gen insbe­son­dere des Deut­schen Olym­pi­schen Sport­bun­des, im Rahmen eines ergeb­nis­of­fe­nen, parti­zi­pa­ti­ven Stra­te­gie­pro­zes­ses im Dialog mit der Bevöl­ke­rung eine Grund­satz­ent­schei­dung über eine mögli­che Bewer­bung um Olym­pi­sche und Para­lym­pi­sche Spiele (Sommer oder Winter) in Deutsch­land herbei­zu­füh­ren. Zudem sei Voraus­set­zung eine maxi­male Nach­hal­tig­keit solcher Spiele durch möglichst voll­stän­dige Nutzung bestehen­der natio­nal und inter­na­tio­nal erprob­ter Sport­stät­ten. Die beiden Sport­bünde Nord­rhein-West­fa­len und Bayern verei­nen rund 10 Millio­nen Mitglied­schaf­ten in über 29.000 Vereinen.

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